Wenn man nicht schreiben kann, soll man darüberschreiben, warum man nicht schreiben kann. Diesen Ratschlag habe ich mal bei einem Schreibworkshop in Lüneburg gehört, zufällig. Es war ein warmer Sommertag, bei einem kleinen Festival … ich saß in der Nähe dieses Workshops, der an einem Biertisch abgehalten wurde. Ich denke, ich habe das gehört, weil ich selbst gerne mehr schreiben will – weil ich diesen Ratschlag also hören wollte. Denn irgendwas blockierte mich, ein „großes Nichts“, eine Leere, hielt mich davon immer ab. Dabei hatte ich sogar schon mal einen kleinen Blog. Ist diese Internet-Blog-Ära vorbei? Und wer bestimmt das eigentlich?
Das Nicht-Schreiben-Können, „das Nichts“, hat etwas mit Selbstsabotage zu tun. Gerne gebe ich die Verantwortung dafür, für dieses Hemmnis ab – an meinen Exfreund zum Beispiel. Er hat mich selten in den Dingen, die ich mir für mich wünschte, die ich verfolgen wollte, unterstützt. Im Jahr 2014 wollte ich eine Internetseite für mich bauen, den Blog – er sagte da „mach dich doch im Internet nicht lächerlich.“ Gestern Abend habe ich das in Kopenhagen einem ehemaligen Grafikdesigner erzählt, der sich inzwischen mit einer Pizzakette selbstständig gemacht hat. Er musste lachen: „Ja, aber Saskia, hast du das Internet gesehen? Mach doch einfach, was du willst – no one cares.“
Dieser Exfreund wollte übrigens auch nicht, dass ich mir die Haare abschneide oder ein Tattoo stechen lasse; er fand, dass mein Studium ein Elfenbeinturm sei, der niemanden irgendwohin bringe – und als ich die Zeichnung auf einem der Merchandise T-Shirts seiner Indie-Band (oh man, ey), die er in den 10er Jahren geründet hatte, bewunderte, und sagte, eines Tages würde ich sowas auch gerne können, meinte er „Das schafft du in diesem Leben nicht mehr“ – ich war da gerade 23 Jahre alt. Man kann ihm Vorwürfe darüber machen, wenn man wollte – am Ende habe ich jedoch selbst beschlossen, mit diesem Menschen sehr viel Lebenszeit zu teilen. Ich bin inzwischen erleichtert, dass wir in keinerlei Beziehung mehr zueinanderstehen. Und hier ist die spannende Frage: warum bin ich überhaupt so lange, knapp zehn Jahre, zu jemandem in einer toxischen On-Off-Beziehung gestanden, der mich so stark hinterfragte und eher negativ auf meine Wünsche schaute, anstatt sich für mich zu freuen – mich zu unterstützen?
Warum hat es also bis heute, bis zu dieser Rückfahrt aus Kopenhagen an einem sonnigen Frühlingstag im Jahr 2024 gedauert, bis ich wirklich wieder schreibe? Die Antwort darauf ist komplex und wird sicher nicht abschließend sein. Die Gründe für meine Blockade liegen hinter einem gordischen Knoten psychischer Schmerzen, die zu ertragen, ich nicht ausgestattet war.
Der Blog, den ich dann hatte, trotz der lähmenden Aussagen meines damaligen Freundes, hat mir sogar mehrere Job-Türen geöffnet. Er war oft Gegenstand von Bewerbungsgesprächen – Arbeitgeber mochten nicht selten das, was sie da lasen. Als ich meinen Traumjob als Redakteurin für ARTE TRACKS verlor – die Gründe dafür wiederum waren finanzielle, jedoch fand mein ehemaliger Chef, der jeden Tag kiffte, auch „Wenn du zur Tür reinkommst, sieht man dir schon an, dass du keinen Musikgeschmack hast.“ und „Du bist nicht Tracks-ig genug.“ – gab ich irgendwann meine Domain www.wowow.blog auf. Derlei deskreditierende Wertungen stehen eigentlich im Wiederspruch dessen, was die Sendung TRACKS verkauft und propagiert: es sind Beiträge, die oft von politischer Gleichberechtigung und davon handeln, dass alle so sein können, dürfen, sollen wie sie es eben sind … im Prinzip sind wir also alle „tracks-ig“ – nun, manche offenbar „tracks-iger“ als andere, ich wohl eben weniger, in den Augen meines CIS-männlichen Heterochefs, der mir die Fahrtkosten, die mir mit meinem eigenen Auto anfielen, als ich zu Interviewdrehs fuhr, nur auf mehrfache Nachfrage erstattete (die Produktionsleitung sagte „Wir haben ja nicht soviel Geld“). Wozu das denn alles, schreiben, einen Blog betreiben? Wenn es mir zwar Türen öffnet, die jedoch mit Beleidigungen, die meinen Selbstwert erschüttern, wieder zugeschlagen werden?
Auch hier stelle ich mir heute die Frage: Warum trifft es mich denn überhaupt, wenn ein Mann, den ich nicht ernstnehmen kann – Leute, die ihr Leben nur leicht benebelt durchschreiten, mich bekifft und verwirrt anrufen und nach einem Kollegen fragen, der, wie bekannt ist, Urlaub genommen hat, finde ich bizarr – abwerten? Ich habe die Neigung, Menschen auf ein Podest zu stellen.
Am Ende bin jedoch nur ich selbst dafür verantwortlich, wieviel ich von dem, was ich höre, an mich heranlasse. Ich kann Beziehungen zu Menschen, die mich nicht schätzen oder unterstützen, beenden. Es ist kein Verlust, einen Job zu verlieren, wenn man einen Chef hat, der einen abwertet und nicht fördert – auch, wenn es ein vermeintlicher Traumjob ist. Das Thema „Traumjob“ müsste man sowieso mal in einem Text verhandeln.
Es war ganz schön hart festzustellen, wie brutal die Arbeitsbedingungen in Redaktionen sind, in denen man sich erträumt hatte, jemals einen Job zu bekommen. Ich hatte keinen eigenen Arbeitslaptop bei TRACKS, nutzte im Lockdown meinen privaten, ach – da fängt es nur schon an. Eigentlich will ich dieses prekäre Arbeitspaket nicht mehr zusammenschnüren; aufzählen, was alles nicht richtig war. Basically, muss man meiner Erfahrung nach dankbar sein, in diesen Redaktionen arbeiten zu dürfen, bei sowas wie ARTE TRACKS. Man bekommt keinen Überstundenausgleich, wenig Geld und ist Spielball öffentlich-rechtlicher Sender, die ihre Produktionen an private Firmen auslagern, damit sie die Leute nicht nach Tarifvertrag bezahlen müssen. Redakteure, die bei ARD, ZDF, usw. festangestellt sind, erhalten nämlich über 4000,- Euro brutto, während im Land der Produktionsfirmen Wilder Westen gespielt wird … und die Schlange junger Menschen, die „irgendwas mit Medien, am besten ARTE“ machen wollen, ist eben sehr lang – jemand anderes macht es gerne für noch weniger. Der, die Redakteur, Redakteurin wird zu einer Wegwerfware – wie gut ein Beitrag läuft, gelaufen ist, zählt nur wenig. Wichtig ist da, wie gut du dich mit deinen Vorgesetzen verstehst, sie um den Finger wickeln kannst, auf wieviel du zuverzichten bereit bist. Ich habe das gesehen – und empfand irgendwann für diese ganzen Leute nur noch Ekel. Widerlich sich für kulturellen, gesellschaftlichen Prestige, einem mutmaßlichen „Higher Reason“ so auszubeuten und gleichzeitig das genaue Gegenteil in der Sendung zu verkaufen, was man selber lebt. „Hypocrite“ ist das schöne, englische Wort dafür.
Zu begreifen, dass das alles, für das ich lange studiert hatte und ins Ausland gegangen war, für das ich auch mehrere Sprachen lernte, Praktika machte … überhaupt nicht das war, was es vorgab zu sein, war ein ziemlicher Schock. Warum also Schreiben? Wozu hier, bei den Medienhaien, mitschwimmen? Ich kann das schon gut. Andere können es auch, vor allem besser aushalten, meine Zähne scheinen eben nicht nachzuwachsen. Ich bin mehr Delfin als Hai, vermutlich.
Nun, was jetzt? Von vorne anfangen? Was ganz anderes? Erstmal Schreiben, zum Selbstzweck. Den Ratschlag von Taylor Swift befolgen: „Do not anything let you stop from making art, just make things. Do not get so caught up in this, that it stops you from making art. Or, if you need to, make art about this. But never stop making things.” Und genau das hat mir der nun Pizzavertreibende Grafikdesigner gestern Abend gesagt. Auf eine sehr warme, dänische Art. Er schlug vor, meinen Blog „Saskiasays“ zu nennen – „or whatever you want it to be.“ Blockiert sein bringt mich ja nun auch nicht weiter – und ich muss nicht aufgeben, etwas zu tun, was ich eigentlich mag, nur weil es ein paar gemeine, joviale Menschen gibt, die einen irgendwie in die dunklen Untiefen eines Meeres reißen, in dem ich gar nicht mehr schwimmen will – oder kann.
Wenn man nicht schreiben kann, soll man darüberschreiben, warum man nicht schreiben kann. Diesen Ratschlag habe ich mal bei einem Schreibworkshop in Lüneburg gehört, zufällig. Es war ein warmer Sommertag, bei einem kleinen Festival … ich saß in der Nähe dieses Workshops, der an einem Biertisch abgehalten wurde. Ich denke, ich habe das gehört, weil ich selbst gerne mehr schreiben will – weil ich diesen Ratschlag also hören wollte. Denn irgendwas blockierte mich, ein „großes Nichts“, eine Leere, hielt mich davon immer ab. Dabei hatte ich sogar schon mal einen kleinen Blog. Ist diese Internet-Blog-Ära vorbei? Und wer bestimmt das eigentlich?
Das Nicht-Schreiben-Können, „das Nichts“, hat etwas mit Selbstsabotage zu tun. Gerne gebe ich die Verantwortung dafür, für dieses Hemmnis ab – an meinen Exfreund zum Beispiel. Er hat mich selten in den Dingen, die ich mir für mich wünschte, die ich verfolgen wollte, unterstützt. Im Jahr 2014 wollte ich eine Internetseite für mich bauen, den Blog – er sagte da „mach dich doch im Internet nicht lächerlich.“ Gestern Abend habe ich das in Kopenhagen einem ehemaligen Grafikdesigner erzählt, der sich inzwischen mit einer Pizzakette selbstständig gemacht hat. Er musste lachen: „Ja, aber Saskia, hast du das Internet gesehen? Mach doch einfach, was du willst – no one cares.“
Dieser Exfreund wollte übrigens auch nicht, dass ich mir die Haare abschneide oder ein Tattoo stechen lasse; er fand, dass mein Studium ein Elfenbeinturm sei, der niemanden irgendwohin bringe – und als ich die Zeichnung auf einem der Merchandise T-Shirts seiner Indie-Band (oh man, ey), die er in den 10er Jahren geründet hatte, bewunderte, und sagte, eines Tages würde ich sowas auch gerne können, meinte er „Das schafft du in diesem Leben nicht mehr“ – ich war da gerade 23 Jahre alt. Man kann ihm Vorwürfe darüber machen, wenn man wollte – am Ende habe ich jedoch selbst beschlossen, mit diesem Menschen sehr viel Lebenszeit zu teilen. Ich bin inzwischen erleichtert, dass wir in keinerlei Beziehung mehr zueinanderstehen. Und hier ist die spannende Frage: warum bin ich überhaupt so lange, knapp zehn Jahre, zu jemandem in einer toxischen On-Off-Beziehung gestanden, der mich so stark hinterfragte und eher negativ auf meine Wünsche schaute, anstatt sich für mich zu freuen – mich zu unterstützen?
Warum hat es also bis heute, bis zu dieser Rückfahrt aus Kopenhagen an einem sonnigen Frühlingstag im Jahr 2024 gedauert, bis ich wirklich wieder schreibe? Die Antwort darauf ist komplex und wird sicher nicht abschließend sein. Die Gründe für meine Blockade liegen hinter einem gordischen Knoten psychischer Schmerzen, die zu ertragen, ich nicht ausgestattet war.
Der Blog, den ich dann hatte, trotz der lähmenden Aussagen meines damaligen Freundes, hat mir sogar mehrere Job-Türen geöffnet. Er war oft Gegenstand von Bewerbungsgesprächen – Arbeitgeber mochten nicht selten das, was sie da lasen. Als ich meinen Traumjob als Redakteurin für ARTE TRACKS verlor – die Gründe dafür wiederum waren finanzielle, jedoch fand mein ehemaliger Chef, der jeden Tag kiffte, auch „Wenn du zur Tür reinkommst, sieht man dir schon an, dass du keinen Musikgeschmack hast.“ und „Du bist nicht Tracks-ig genug.“ – gab ich irgendwann meine Domain www.wowow.blog auf. Derlei deskreditierende Wertungen stehen eigentlich im Wiederspruch dessen, was die Sendung TRACKS verkauft und propagiert: es sind Beiträge, die oft von politischer Gleichberechtigung und davon handeln, dass alle so sein können, dürfen, sollen wie sie es eben sind … im Prinzip sind wir also alle „tracks-ig“ – nun, manche offenbar „tracks-iger“ als andere, ich wohl eben weniger, in den Augen meines CIS-männlichen Heterochefs, der mir die Fahrtkosten, die mir mit meinem eigenen Auto anfielen, als ich zu Interviewdrehs fuhr, nur auf mehrfache Nachfrage erstattete (die Produktionsleitung sagte „Wir haben ja nicht soviel Geld“). Wozu das denn alles, schreiben, einen Blog betreiben? Wenn es mir zwar Türen öffnet, die jedoch mit Beleidigungen, die meinen Selbstwert erschüttern, wieder zugeschlagen werden?
Auch hier stelle ich mir heute die Frage: Warum trifft es mich denn überhaupt, wenn ein Mann, den ich nicht ernstnehmen kann – Leute, die ihr Leben nur leicht benebelt durchschreiten, mich bekifft und verwirrt anrufen und nach einem Kollegen fragen, der, wie bekannt ist, Urlaub genommen hat, finde ich bizarr – abwerten? Ich habe die Neigung, Menschen auf ein Podest zu stellen.
Am Ende bin jedoch nur ich selbst dafür verantwortlich, wieviel ich von dem, was ich höre, an mich heranlasse. Ich kann Beziehungen zu Menschen, die mich nicht schätzen oder unterstützen, beenden. Es ist kein Verlust, einen Job zu verlieren, wenn man einen Chef hat, der einen abwertet und nicht fördert – auch, wenn es ein vermeintlicher Traumjob ist. Das Thema „Traumjob“ müsste man sowieso mal in einem Text verhandeln.
Es war ganz schön hart festzustellen, wie brutal die Arbeitsbedingungen in Redaktionen sind, in denen man sich erträumt hatte, jemals einen Job zu bekommen. Ich hatte keinen eigenen Arbeitslaptop bei TRACKS, nutzte im Lockdown meinen privaten, ach – da fängt es nur schon an. Eigentlich will ich dieses prekäre Arbeitspaket nicht mehr zusammenschnüren; aufzählen, was alles nicht richtig war. Basically, muss man meiner Erfahrung nach dankbar sein, in diesen Redaktionen arbeiten zu dürfen, bei sowas wie ARTE TRACKS. Man bekommt keinen Überstundenausgleich, wenig Geld und ist Spielball öffentlich-rechtlicher Sender, die ihre Produktionen an private Firmen auslagern, damit sie die Leute nicht nach Tarifvertrag bezahlen müssen. Redakteure, die bei ARD, ZDF, usw. festangestellt sind, erhalten nämlich über 4000,- Euro brutto, während im Land der Produktionsfirmen Wilder Westen gespielt wird … und die Schlange junger Menschen, die „irgendwas mit Medien, am besten ARTE“ machen wollen, ist eben sehr lang – jemand anderes macht es gerne für noch weniger. Der, die Redakteur, Redakteurin wird zu einer Wegwerfware – wie gut ein Beitrag läuft, gelaufen ist, zählt nur wenig. Wichtig ist da, wie gut du dich mit deinen Vorgesetzen verstehst, sie um den Finger wickeln kannst, auf wieviel du zuverzichten bereit bist. Ich habe das gesehen – und empfand irgendwann für diese ganzen Leute nur noch Ekel. Widerlich sich für kulturellen, gesellschaftlichen Prestige, einem mutmaßlichen „Higher Reason“ so auszubeuten und gleichzeitig das genaue Gegenteil in der Sendung zu verkaufen, was man selber lebt. „Hypocrite“ ist das schöne, englische Wort dafür.
Zu begreifen, dass das alles, für das ich lange studiert hatte und ins Ausland gegangen war, für das ich auch mehrere Sprachen lernte, Praktika machte … überhaupt nicht das war, was es vorgab zu sein, war ein ziemlicher Schock. Warum also Schreiben? Wozu hier, bei den Medienhaien, mitschwimmen? Ich kann das schon gut. Andere können es auch, vor allem besser aushalten, meine Zähne scheinen eben nicht nachzuwachsen. Ich bin mehr Delfin als Hai, vermutlich.
Nun, was jetzt? Von vorne anfangen? Was ganz anderes? Erstmal Schreiben, zum Selbstzweck. Den Ratschlag von Taylor Swift befolgen: „Do not anything let you stop from making art, just make things. Do not get so caught up in this, that it stops you from making art. Or, if you need to, make art about this. But never stop making things.” Und genau das hat mir der nun Pizzavertreibende Grafikdesigner gestern Abend gesagt. Auf eine sehr warme, dänische Art. Er schlug vor, meinen Blog „Saskiasays“ zu nennen – „or whatever you want it to be.“ Blockiert sein bringt mich ja nun auch nicht weiter – und ich muss nicht aufgeben, etwas zu tun, was ich eigentlich mag, nur weil es ein paar gemeine, joviale Menschen gibt, die einen irgendwie in die dunklen Untiefen eines Meeres reißen, in dem ich gar nicht mehr schwimmen will – oder kann.